Am 1. April 1922 wurden Neunkirchen nach jahrzehntelangem, zähem Ringen die Stadtrechte verliehen. Bis dahin war Neunkirchen eines der größten Dörfer Preußens – wahrscheinlich sogar das größte.
„Der 1. April ist ein guter Tag: ein guter Tag für Neunkirchen und ein guter Tag für die Demokratie. Der Tag steht in der Geschichte unserer Stadt dafür, dass sich die kommunale Politik als eigene Sphäre neben der Wirtschaft etabliert hat. Es ist der Tag der Freiheit des Politischen in Neunkirchen! Demokratie, Selbstverwaltung und politische Freiheit: Das sind nicht nur Worthülsen. Das ist ein Grund zum Feiern!“, sagte Oberbürgermeister Jörg Aumann.
Neunkirchen feiert seinen Geburtstag mit vielen kleinen Aktionen. Aufgrund der hohen Coronazahlen und der unwägbaren Entwicklung, aber auch vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, wurde dieses Jubiläum am 1. April in der Gebläsehalle nicht mit einem Kommers im großen Stil gefeiert, sondern nur mit einem angemessenen Festakt. Hierzu wurden rund 200 Gäste hauptsächlich aus Politik und Verwaltung sowie aus den Partnerstädten eingeladen.
Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister Jörg Aumann, würdigten Ministerpräsident Tobias Hans, Landrat Sören Meng und der Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages Hermann Josef Schmidt die zweitgrößte Stadt des Saarlandes. Neben einem Kurzvortrag des Stadtarchivars Christian Reuther über die über fünf Jahrzehnte dauernden, zähen Verhandlungen zur Verleihung der Stadtrechte hinweg, erzählten die Oberbürgermeister Jörg Aumann, Jürgen Fried und Friedrich Decker in einer gemeinsamen Talkrunde über ihre jeweilige Amtszeit.
Das Rahmenprogramm spiegelte das breite Spektrum der Musicalstadt Neunkirchen mit Kristin Backes, dem Neunkircher Musical Projekt und einem Vorgeschmack auf das neue Kindermusical des Neunkircher Kutscherhauses wider.
Um jedoch auch die breite Bevölkerung am Jubiläum teilhaben zu lassen, werden Aktionen für die unterschiedlichen Zielgruppen über das ganze Jahr verteilt.
Es ist seit vielen Jahren eine schöne Tradition, den Stadtgeburtstag mit allen Neunkircher Grundschülerinnen und Grundschülern zu feiern. Hierzu wurden an allen Schulen Brezeln verteilt. Im Jubiläumsjahr gab es neben dem Zoogutschein eine Brotdose als besonderes Geschenk. Auch in diesem Jahr erhielten die Drittklässler das Kinderstadtbuch, das nicht nur im Unterricht benutzt, sondern auch in den Besitz der Kinder übergeht.
Die Öffentlichkeitsarbeit hat in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv eine Ausstellung mit 100 historischen Bildern erstellt. Diese wird zunächst im Rathaus zu sehen sein, aber auch Schulen und Seniorenheime können die zehn Rollups ausleihen, um die 100jährige Stadtgeschichte Revue passieren zu lassen.
Auch die Stadtbibliothek präsentiert historische Bücher rund um unsere Stadt – eine Fundgrube für alle, die heimathistorisch interessiert sind.
In den Neunkircher Einzelhandelsgeschäften werden historische Postkarten verschenkt. Ebenso steht der Neunkircher Frühling ganz im Zeichen des Stadtjubiläums. Am Stand der Stadt werden das eigens für das Jubiläum von Bach’s Braumanufaktur gebraute Jubiläumsbier „Bach’s Spezial“ sowie passende Jubiläums-Biergläser verkauft.
Der Neunkircher Verkehrsverein veranstaltet am 9. Juli auf den Bliesterrassen im Rahmens des Jubiläums ein „Sommernachtskonzert“. Außerdem wird der City Musiksommmer ganz im Zeichen des Stadtgeburtstags stehen.
Für Kinder werden sowohl das Jugendbüro als auch die Stadtbibliothek im Sommer eigene Aktionen starten.
Zur Geschichte der Stadtwerdung
Ausgangs des 19. Jahrhunderts führte Karl Ferdinand Stumm das Neunkircher Eisenwerk mit harter Hand zur Blüte. Stumm war technischen Neuerungen stets zugewandt und wusste sie in seinem Werk einzusetzen, so dass das Werk binnen kurzer Zeit seine Produktion steigerte und immer mehr Menschen Lohn und Brot brachte. In gleichem Maß gewannen auch die Gruben an Bedeutung, da der Bedarf an Kohle stetig stieg.
Entsprechend entwickelte sich die Bevölkerungszahl: Konnten 1864, dem Jahr als erste Gedanken an eine Stadtwerdung aufkamen, rund 5.500 Einwohner gezählt werden, so waren es Ende 1875 mit 11.200 schon doppelt so viele Einwohner. Erste Bestrebungen zur Stadtwerdung kamen aus dem Bildungsbürgertum, das neben der Einwohnerzahl auch mit der strategischen Bedeutung u.a. durch den Eisenbahnknoten argumentierte. Karl Ferdinand Stumm zählte zu den Gegnern, da er durch erhöhte Ausgaben für die Infrastruktur und die öffentliche Ordnung mit einem Anstieg der Gewerbesteuer rechnete. Das Projekt wurde dementsprechend vertagt.
Erst nachdem der Hüttenbaron Karl Ferdinand von Stumm-Halberg verstorben war, wurden Stimmen aus der Bürgerschaft laut, die Stadtrechte für die mittlerweile auf mehr als 28.000 Einwohner gewachsene Gemeinde forderte. Auch das Erscheinungsbild des Ortes hatte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts stark verändert. Es gab nun ein kommunales Wasser-, ein Elektrizitäts-, ein Gaswerk, einen Schlachthof, ein Amtsgericht, eine Gemeindesparkasse, Krankenhäuser, Schulen sowie eine Straßenbahn – kurzum Neunkirchen hatte bereits einen urbanen Charakter angenommen.
Der Gemeinderat zählte mittlerweile 70 Mitglieder, zu Hälfte „geborene Mitglieder“, die aufgrund ihrer hohen Steuerzahlungen im Gemeinderat Mitbestimmungsrecht hatten. Mitte 1910 konnte mit knapper Mehrheit ein Antrag an den preußischen Innenminister bezüglich Stadtrechte für Neunkirchen auf den Weg gebracht werden, das nun bereits 34.500 Einwohner zählte. Das Landratsamt Ottweiler wurde mit der Prüfung betraut. Dieses hatte jedoch Bedenken, dass Neunkirchen auch aus dem Kreis Ottweiler ausscheiden werde und damit 40 Prozent der Bevölkerung und der Leistungsfähigkeit des Kreises wegbrechen würden. Auch der Bergfiskus und die Gebrüder Stumm GmbH nahmen eher ablehnende Positionen ein, so dass letztlich der Antrag scheiterte.
Bedingt durch den Ersten Weltkrieg ruhte das Verfahren weitere Jahre.
Erst 1919, mit der Unterzeichnung des Versailler Friedensvertrages, nahm die Angelegenheit wieder Fahrt auf, da die französische Besatzung eine Verwaltungsreform mit Neueinteilung der Kreise anstrebte. Die Gemeinden Spiesen und Elversberg, die bislang zur Bürgermeisterei Neunkirchen gehörten, beanspruchten für sich die Selbstständigkeit. Hingegen wurde beschlossen Neunkirchen, Niederneunkirchen, Kohlhof und Wellesweiler zu vereinigen und bei der Regierung des Saargebietes die Stadtrechte zu beantragen. Die Bevölkerung konnte für das Vorhaben gewonnen werden. Eisenwerk und Bergverwaltung hatten ihre Bedenken mittlerweile abgelegt. So konnten schließlich am 18. Dezember 1921 der Bürgermeister, die Beigeordneten und die Gemeindevorsteher, den gemeinsamen Vertrag zur Stadtwerdung unterzeichnen.
Nach der feierlichen Bestätigung durch den Präsidenten der Regierungskommission Victor Rault am 23. Dezember 1921 trat der Vertrag schlussendlich am 1. April 1922 in Kraft.